Bonifatius: »Apostel der Deutschen«

Bonifatius: »Apostel der Deutschen«
Bonifatius: »Apostel der Deutschen«
 
Die angelsächsische Kirche, in der Winfried aufwuchs, war von einer starken Romverbundenheit geprägt. Der angelsächsische König Oswald hatte sich auf der Synode von Whitby 663 für die römische Tradition und gegen die irische Mönchskirche entschieden. Diese Entscheidung blieb nicht ohne Folgen für die Gestaltung der Kirche auf dem Kontinent. Winfried kam als Siebenjähriger ins Koster von Exeter und danach ins Benediktinerkloster Nursling. Hier erhielt er eine umfassende Bildung und wurde nach seiner Priesterweihe im Alter von 30 Jahren mit der Leitung der Klosterschule beauftragt. Im Jahr 716 verließ er das Kloster, um gemäß dem mönichischen Ideal als heimatloser asketischer Verkünder des Evangeliums die Friesen auf dem Festland zu missionieren.
 
Nach dem Tod Pippins II. 714 war das Fränkische Reich, das bis dahin die Missionstätigkeit der Angelsachsen bei den Friesen durch seinen Schutz erst möglich machte, geschwächt. In Friesenkönig Radbod traf Winfried auf einen hartnäckigen Gegner des Christentums. Noch im selben Jahr kehrte er erfolglos nach England zurück. Er wurde zum Abt seines Klosters gewählt, zwei Jahre später legte er dieses Amt nieder und begab sich nach Rom. Hier erhielt er von Papst Gregor II. die Vollmacht zur Mission bei den Germanen östlich des Rheins. Bonifatius, wie sich Winfried jetzt nannte, kam auf seiner Rückreise über Bayern, Hessen und Thüringen nach Friesland. Hier hatte sich die Situation nach dem Tod Radbods geändert. Durch die Protektion des fränkischen Hausmeiers Karl Martell war die Missionierung wieder möglich geworden.
 
Bonifatius arbeitete mit dem Angelsachsen Willibrord zusammen, der sich wie jener in Rom die Missionserlaubnis eingeholt hatte. Als Bischof von Utrecht unterhielt Willibrord über seine Klostergründung Echternach engen Kontakt zum fränkischen Adel und Episkopat. Obwohl Willibrord ihn zu seinem Nachfolger machen wollte, trennte sich Bonifatius aus unbekannten Gründen von ihm und nahm die Missionierung im hessischen Grenzraum auf. Der zweite Romaufenthalt 722 stellte dann die Weichen für seine zukünftige Arbeit. Bei seiner Bischofsweihe legte Bonifatius einen Eid ab, wie er in der römischen Kirchenprovinz üblich war. Darin versprach er, Zusammenkünfte mit nichtkanonisch lebenden Bischöfen zu meiden und dem Papst Bericht zu erstatten. Auf ein Empfehlungsschreiben Gregors II. stellte Karl Martell Bonifatius einen Schutzbrief aus, der ihm eine erfolgreiche Missionstätigkeit in dem östlichen Grenzgebiet des Frankenreiches ermöglichte. Die Fällung einer dem germanischen Gott Donar geweihten Eiche bei Geismar, aus deren Holz er eine Kirche zu Ehren des Apostels Petrus bauen ließ, wurde zum Symbol seines missionarischen Erfolgs. In Thüringen traf Bonifatius auf eine Bevölkerung, die nur oberflächlich christianisiert war. Mit zahlreichen Klostergründungen gab er seinem Werk Bestand. Durch die zeitlebens enge Verbindung zur Heimat veranlasste er viele Landsleute und Verwandte, ihm zu folgen und führende Positionen in den Klöstern und Kirchen seines Wirkungsfeldes einzunehmen.
 
Die Neuordnung der fränkischen Reichskirche war für ihn die schwierigste Aufgabe. Die fränkischen Machthaber verfügten über umfangreiche kirchliche Machtbefugnisse. Sie hatten die Bischöfsstühle mit politisch und administrativ fähigen Adligen besetzt, deren Lebensweise und Interessen Bonifatius ein Dorn im Auge waren und die er auch gemäß seinem Bischofseid mied. Hinzu kam das im Fränkischen Reich besonders stark ausgepägte Eigenkirchenwesen, das nicht mit den kirchenorganisatorischen Vorstellungen des Bonifatius harmonisierte. Mit der Ernennung zum Erzbischof durch Gregor III. im Jahr 732 erhielt Bonifatius die Erlaubnis, Bischöfe zu weihen und einzusetzen. Ohne Zustimmung des fränkischen Hausmeier Karl Martell konnte er davon allerdings zunächst keinen Gebrauch machen. Unterstützung fand Bonifatius beim bayerischen Herzog Odilo. Der Herzog wollte seine Selbstständigkeit gegenüber dem mächtigen fränkischen König wahren und unterstellte daher seine Landeskirche direkt dem Papst. Mit der Einwilligung des Herzogs und des bayerischen Adels konnte Bonifatius in Bayern drei neue Bischöfe weihen und die Bistumsgrenzen neu ziehen. Nach dem Tod Karl Martells verbesserte sich die Situation für Bonifatius. Mit Unterstützung der neuen Machthaber Pippin und Karlmann errichtete er vier neue Bistümer, von denen Würzburg und Eichstätt Bestand hatten, Erfurt und Büraburg bald dem Bistum Mainz unterstellt wurden.
 
Mit der Einberufung einer Synode 743, dem Concilium Germanicum, erreichte Bonifatius den Zenit seiner kirchenpolitischen Erfolge. Obwohl nur sechs Bischöfe anwesend waren und die wichtigen Bischöfe von Trier und Köln fehlten, bestätigte Karlmann die Beschlüsse der Synode für alle als verbindlich. Jährliche Synoden wurden beschlossen, die Stellung des Bonifatius als Erzbischof wurde gefestigt. Reste des Heidentums im Volk sollten beseitigt und die Kleriker strengen römischen Maßstäben unterworfen werden. Bonifatius erreichte auf dieser Synode auch einen Sieg über die irischen Wanderbischöfe, die nicht in sein kirchenorganisatorisches Konzept passten. Seine Gegner im fränkischen Adelsepiskopat aber hatte er nicht ausschalten können, wie sein vergeblicher Versuch, den erzbischöflichen Stuhl von Köln zu erlangen, zeigt. Mit der Abdankung Karlmanns 747 verlor Bonifatius seinen wichtigsten Förderer. Die innerkirchliche Opposition gegen ihn gewann wieder an Boden. Seine Sorge galt nun verstärkt seinem Lieblingskloster Fulda, das er dem Papst unterstellte. In den wichtigen Entscheidungen der Jahre 750 bis 753 spielte er keine Rolle mehr: Während eine neue Generation im Auftrag von Pippin III. in Rom um dessen Erhebung zum König verhandelte, begab sich Bonifatius im Alter von 80 Jahren noch einmal nach Friesland, wo er auf einer Firmungsreise bei Dokkum von Räubern erschlagen wurde. Nach seinem Willen wurde er im Kloster Fulda beigesetzt. Die Bedeutung des Bonifatius liegt in der ethischen und liturgischen Disziplinierung der Landeskirchen des Fränkischen Reiches sowie in der Durchsetzung der kirchenorganisatorischen Strukturen nach römischem Vorbild. Damit hat er in entscheidendem Maße die Konturen des europäischen. Christentums vorgezeichnet. Sein Ehrentitel »Apostel der Deutschen« stammt erst aus dem 12. Jahrhundert.
 
Aloys Wener
 
 
Frank, Karl Suso: Geschichte des christlichen Mönchtums. Darmstadt 51996.
 Hage, Wolfgang: Das Christentum im frühen Mittelalter (476—1054). Vom Ende des weströmischen Reiches bis zum west-östlichen Schisma. Göttingen 1993.
 
Kulturgeschichte der christlichen Orden in Einzeldarstellungen, herausgegeben von Peter Dinzelbacher u. a. Stuttgart 1997.

Universal-Lexikon. 2012.

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